Nov 2 / Dr. Sophia Wilk-Vollmann

OZEMPIC & NÄHRSTOFFMANGEL

Semaglutid, besser bekannt unter dem Handelsnamen Ozempic, ist ein GLP-1-Rezeptoragonist. Ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, wird er inzwischen auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Vielleicht hast Du selbst schon davon gehört oder es in Deinem beruflichen Kontext erlebt: Menschen nehmen mit diesen Medikamenten schnell und zum Teil deutlich ab. Gleichzeitig tauchen Berichte auf, etwa über plötzlichen Haarausfall oder Schwächezustände. Aber was ist wirklich dran?

Zunächst das Wichtigste vorweg: In den bisher veröffentlichten klinischen Studien wurde kein direkter Zusammenhang zwischen Semaglutid und Haarausfall beschrieben. Die überwiegend dokumentierten Nebenwirkungen betreffen den Magen-Darm-Trakt: Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, Durchfall. Auch Kopfschmerzen, Müdigkeit und Geschmacksstörungen traten gelegentlich auf, aber kein signifikanter Haarausfall und kein typischer Mikronährstoffmangel wurden direkt mit dem Wirkstoff in Verbindung gebracht (1, 2).

Das heißt jedoch nicht, dass die Sorge unberechtigt ist. Denn ein indirekter Zusammenhang ist sehr wohl denkbar. Wenn Du über Wochen und Monate weniger isst, weil Dir schlicht der Appetit fehlt oder Dir beim Essen übel wird, kann das Deine Nährstoffversorgung beeinträchtigen. Gerade Eisen, Zink und Biotin sind sensibel, wenn es um Deine Haare geht. Fehlt davon dauerhaft etwas, kann das zu diffusem Haarausfall führen, was beispielsweise ein bekanntes Phänomen bei starkem Gewichtsverlust, unabhängig von der Ursache, ist (1).

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Welche Patient:innen sind anfällig für einen Nährstoffmangel?

Besonders anfällig dafür sind Menschen mit bestehender Mangelernährung, chronischen Erkrankungen oder auch solche, die bereits restriktiv essen. Bei ihnen können schon kleinere Einbußen im Nährstoffhaushalt spürbare Folgen haben. Auch Patient:innen mit Adipositas, die sehr rasch Gewicht verlieren, sind vulnerabel, denn selbst kurzfristige Defizite können sich bemerkbar machen. Die American Diabetes Association rät deshalb bei ausgeprägtem Appetitverlust zur Überwachung des Ernährungsstatus (3).

Die dermatologische Literatur zeigt sich zur Thematik bislang zurückhaltend. Ein direkter Wirkmechanismus von Semaglutid oder verwandten Wirkstoffen auf die Haarwurzeln ist nicht beschrieben, aber das Thema wird zunehmend diskutiert (4).

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So berätst Du richtig

Wenn Du Menschen behandelst, die mit GLP-1-Analoga arbeiten, lohnt sich ein Blick auf deren Ernährung, auch wenn das Thema nicht auf den ersten Blick relevant scheint. Bei starker oder anhaltender Appetitlosigkeit, übermäßigem Gewichtsverlust oder diffuser Fatigue lohnt es sich, den Nährstoffstatus zu überprüfen. Und im Gespräch zur Aufklärung darfst Du ganz offen sagen, dass Haarausfall keine typische Nebenwirkung ist, aber indirekt auftreten kann, wenn der Körper dauerhaft unterversorgt wird.

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Nährstoffmangel korrekt diagnostizieren 

Ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung und Aufklärung rund um Haarausfall unter GLP-1-Agonisten wie Semaglutid ist die differenzierte Labordiagnostik. Deshalb empfehlen viele Fachgesellschaften eine gezielte Laborkontrolle, insbesondere bei anhaltenden Symptomen oder sichtbarem Haarverlust. Dazu gehören vor allem Ferritin zur Einschätzung der Eisenspeicher, Vitamin B12, Folsäure und Vitamin D, aber auch Zink und gegebenenfalls Biotin. Ergänzend kann ein hormonelles Screening sinnvoll sein, etwa zur Abklärung von Schilddrüsenwerten oder Androgenstatus, wenn der Verdacht auf einen hormonell bedingten Haarausfall besteht. Ein vollständiges Blutbild, Transferrinsättigung und Entzündungsparameter wie das CRP helfen, das Gesamtbild besser einzuordnen. Wichtig ist: Solche Blutuntersuchungen sollten immer individuell geplant werden und nie isoliert betrachtet, sondern im Zusammenhang mit klinischer Einschätzung und Anamnese. Bitte denke auch an mögliche Co-Erkrankungen oder hormonelle Umstellungen, zum Beispiel im Zuge der (Peri-)Menopause.

Da das Thema aber sehr komplex und umfangreich ist, greifen wir Nährstoffmangel, Nahrungsergänzung und die Diagnostik in einem gesonderten Blogbeitrag auf. 

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Literaturverzeichnis

1. Feier CVI, Vonica RC, Faur AM, Streinu DR, Muntean C. Assessment of Thyroid Carcinogenic Risk and Safety Profile of GLP1-RA Semaglutide (Ozempic) Therapy for Diabetes Mellitus and Obesity: A Systematic Literature Review. Int J Mol Sci. 2024;25(8):4346. doi:10.3390/ijms25084346


2. Food and Drug Administration (FDA). Ozempic label update. Updated 2021 & 2023.


3. American Diabetes Association. Standards of Care in Diabetes-2025. Diabetes Care. 2025;48(Suppl 1):S167-S180. doi:10.2337/dc25-S008


4. Desai DD, Sikora M, Nohria A, et al. GLP-1 Agonists and Hair Loss: A Call for Further Investigation. Int J Dermatol. 2024;63(9):1128-1130. doi:10.1111/ijd.17246